Die Frage, ob man arbeite, um zu leben oder lebe, um zu arbeiten, hat mich schon immer etwas stutzig gemacht. "Für ein Leben, um zu arbeiten", entscheiden sich sicherlich die wenigsten aktiv. Die Arbeit macht jedoch gezwungenermaßen für die meisten von uns 70-80% unseres Lebens aus. Sie ist großer Bestandteil unseres Lebens. Ob wir wollen oder nicht.
Was ein großes Glück also, wenn wir die Wahl haben, einen Job zu machen, der uns Spaß macht.
Was ein Glück, einen Job zu finden, der sich mit der eigenen Leidenschaft verknüpfen lässt. Und diesen großen Teil „Arbeit“ für dich lebenswert zu machen. Das Hobby zum Beruf machen“ - das ist, wovon viele Menschen träumen. Wenn der Job uns einen weiteren Sinn im Leben gibt, neben der notwendigen Lebensgrundlage. Neben der Tatsache, etwas Geld in der Tasche zu haben, um sich das Leben zu ermöglichen, das man sich vorstellt. Nämlich in den verbleibenden 20-30% unserer Zeit.
Spinnen wir das etwas weiter… wir sind also mindestens 40h die Woche bei der Arbeit. Oft werden Arbeitskollegen Freunde und wenn alles richtig gut läuft, fühlt man sich manchmal vielleicht sogar wie eine kleine Familie, die gemeinsam durch dick und dünn geht. Distanz, was ist das? Bei uns verschwimmt Arbeit und Leben. Wir gehen in der Arbeit auf, wir erhalten Anerkennung dafür, dass wir uns ständig wandeln, Feedback einholen, lernen, wachsen, besser werden in dem, was wir eh schon gerne tun. Ziemlich gut genutzte Stunden, oder?
Was ein Glück, wenn es so kommt.
Ich suchte nach meiner Zeit bei Twitter, einen ähnlich inspirierenden Ort - denn bei Twitter hatte ich gelernt, dass das geht! Ich wollte keinen Job mehr machen, mit dem ich mich nicht identifizieren kann. Zumindest so lange ich die Wahl habe. Ein Unternehmen, das ein „Why“ hat, einen Purpose und eine Vision. Im besten Fall eine, in der ich mich mich wieder erkennen kann. Eine, für die ich gerne morgens aufstehe und an der ich mitwirken kann und will! Ein Unternehmen, in dem ich gefördert und gefordert werde. Das mir hilft, meine Schwächen zu identifizieren, meine Stärken zu leben und im besten Fall weiter auszubauen. Ein Unternehmen, das die gleichen Werte verkörpert und lebt, wie ich sie leben möchte. Oder, die ich vielleicht sogar mit gestalten kann? Ein Unternehmen, das Wachstumspotenzial hat, genauso wie ich. Eines, in dem man im besten Fall zusammen lernt und wächst. Ein Potenzial, das ich mit ausschöpfen bzw. weiter ausbauen kann... oder vielleicht sogar neue erkenne? Ein Team, das mich inspiriert, von dem ich lernen kann, das an einem Strang zieht und sich gegenseitig unterstützt aber auch mal an die eigenen Grenzen bringt.
Was ein Glück, das ich das alles vor etwas mehr als 3 Jahren bei Opinary gefunden habe.
Was ein Glück, das mich mein ehemaliger Twitter-Chef Rowan mit den Opinary-Gründern Pia und Cornelius verknüpfte.
Ich zog also von Hamburg nach Berlin für Opinary. Eine Stadt, die ich irgendwie nicht mochte, die mich aber irgendwie immer wieder magisch anzog.
Was ein Glück, dass obwohl ich nur wenige Bekannte und keine Freunde in der Stadt hatte, bei Opinary Menschen fand, die mich mit offenen Armen empfingen, die mir nach einer Nacht und Nebel Aktion halfen (ja, es ging dann sehr schnell ;)), die Umzugskisten im Office unter zu bringen. Menschen, die schnell nicht nur Arbeitskollegen waren, sondern bald schon Freunde wurden. Freunde und Arbeit, die mich vergessen haben lassen, dass ich mich auch oft sehr einsam fühlte in der neuen Stadt und weniger schnell Anschluss fand, als ich es erwartet und mir gewünscht hatte. Freunde, die an einem gemeinsamen Projekt arbeiteten, sich besser kennen lernten, vertrauten und auch mal stritten - aber vor allem Lust hatten, was ziemlich Cooles gemeinsam auf die Beine zu stellen!
Bei Opinary wollen wir Menschen im Netz helfen, ihre Meinung zu teilen, zu bilden und Orientierung in der Informationsflut zu finden. Und wie cool, wenn man dadurch auch noch durch smartes Marketing (we call it "better Ads") Geld macht, das ggf. die Gehälter von Journalisten zahlen kann, deren Beruf und Arbeit so wahnsinnig wichtig sind für die Bildung, Information und Aufklärung unserer Gesellschaft.
Was ein Glück, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Opinary war zu dem Zeitpunkt knapp 1,5 Jahre alt. 15 Mitarbeiter. Es gab einige spannende Verlagspartner an Bord, 20 Mio. Nutzer, guter Tech Stack… aber das Geschäftsmodell lief noch nicht richtig rund - wie machen wir Geld? Vor allem mit dem dritten Mitgründer Max und dem bestehenden Team, ging es für mich also darum, eine Monetarisierungsmaschine zu bauen, die sich trägt. Challenge accepted!
Jetzt blicke ich 3 Jahre zurück. Ich lief und manchmal rannte ich - immer schneller, immer weiter. Ich machte mal mehr und mal weniger Pause - aber meist zu wenig. Ich wusste, wo ich hin wollte und es machte mir Spaß, immer besser darin zu werden. Ich holte mir so viel Feedback wie ich brauchte, um zu verstehen wie ich an das nächste Ziel komme oder das eine "neue Ding" lernen kann - aus der Company und von außen. Wie früher beim Leistungsschwimmen war das auch ziemlich schmerzhaft zwischendurch. Ich lernte meine Grenzen kennen, ich lernte sie zu überwinden und ich lernte wie ich mit mir und meiner Energie haushalten kann und muss. Aber aufgeben? Niemals! Ich baute ein 20 Personen Team auf, mit dem ich zusammen rannte und immer noch renne. Ich lernte, nicht nur alleine auf dem Feld zu stehen, sondern sehr schnell, was wichtig ist, um ein starkes Team zu bauen, zu entwickeln und gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. Auch mal in den Hintergrund zu treten. Von Single Contributor to Coach & Mentor, Vorbild und Partner in Crime zu sein - wissen zu transferieren und zu teilen. Ziele zu setzen und zu begeistern. Eine gemeinsame Vision zu haben.
Es kamen und es gingen Menschen.
Ich überlegte mir Vertriebs, Marketing- und Kommunikationsstrategien, wie Opinary weiter wachsen kann, ich sprach auf Konferenzen, Podien und anderen Bühnen, ich baute Geschäftsbeziehungen auf, die bis heute halten. Mein Team und ich haben über 3 Jahre 300-500% Wachstum von einem Jahr aufs nächste gemacht, so konnten wir auf bis zu 60 Kollegen wachsen, wir öffneten Offices in London und New York und bauten Strukturen, die skalierbar auch in diesen Märkten funktionieren konnten. Wir feierten, wir machten Fehler und lernten (mal besser und mal schlechter ;)). In den 3 Jahren habe ich mich oft wie die Gründerin selbst gefühlt, ich konnte viel lernen, Neues aufbauen, gestalten und anderen etwas mitgeben. Ich war (und bin) stolz bei Opinary zu arbeiten und trug es so auch nach außen.
Was ein Glück (und doch auch harte Arbeit), dass mir zuletzt das Vertrauen entgegen gebracht wurde, sogar Teil der Geschäftsführung bei Opinary zu werden. Denn ja, ich fühlte mich nicht nur wie die Gründerin, sondern ich steckte mein Herzblut rein. Keine halben Sachen. Als Chief Revenue Officer verantworte ich nun vier unterschiedliche Bereiche bei Opinary. Dieses Jahr streben wir Profitabilität an. Es sieht gut aus. Ich bin stolz auf das, was wir zusammen gebaut haben. Und ich bin unheimlich dankbar für all das Erlebte und Gelernte.
Was ein Glück, wenn man irgendwann aber auch merkt, dass es vielleicht Zeit wird, weiter zu ziehen... loszulassen. Wenn man merkt, dass die Lernkurve abflacht. Wenn bestimmte Dinge, die man sich wünschte, unerfüllt blieben oder anders verliefen, als man hoffte. Wenn man sich nach „mehr“ oder vielleicht auch "anders" sehnt. Das schmerzt und ist alles andere als leicht. Man krallt sich fest an das Bestehende, an die Comfort Zone. Es tut erst nur weh und man weiß nicht, was es ist. Und dann tut es weh und man versucht, den Schmerz zu lindern. So ist das, wenn Arbeit und Leben miteinander verschwimmen.
Wenn man so will, kann man es mit einem Beziehungsende vergleichen. Langsam wird einem bewusst, dass man sich gegenseitig nicht mehr gut tut. Man liebt sich sehr, aber es ist Zeit, getrennte Wege zu gehen. Eigentlich will man nicht, aber eigentlich schon. Und… man, ist das schwer, wenn nichts Explizites vorfällt, es keinen super klaren Grund gibt, wie etwa jemand Neues, der in dein Leben tritt. Ein neuer Mensch, für den du den anderen verlässt.
Stattdessen ein Liebevolles:
„Hey, bleib doch mal stehen. Schau mal wieder auf dich. Du bist so viel gerannt, du bist müde. Und das ist okay. Und sag mal, ist das eigentlich noch der richtige Weg? Wo bist du eigentlich gerade?
Innehalten. Und die große Frage:
Wo willst du eigentlich hin?“ zu dir selbst.
Erst ist da Angst. Dann sind da Verantwortungsgefühl, Loyalität, Gewissensbisse & Zweifel:
„Brauchen sie mich nicht jetzt besonders? Kann es woanders genauso so werden?“
Man versucht es noch ein zweites Mal, vielleicht sogar ein drittes Mal:
„Das muss doch irgendwie klappen?!”
Und für eine Zeit tut es das, aber es kostet Kraft. Es macht nicht mehr so viel Spaß, wie es das einst tat.
"Wo bleiben die mir bekannte Begeisterung, Leidenschaft... das Leuchten in den Augen?"
Und dann denkst du irgendwann mutig:
“Vielleicht musst du rausfinden, ob es anders sein kann.“
Und dann weißt du auf einmal:
"Jetzt ist es Zeit, zu gehen.“
Was ein Glück.
Was ein Glück, denn dieses Glück haben nicht viele im Leben. Sie bleiben an dem Ort, in dem Job oder mit dem Menschen, der eigentlich nicht mehr wirklich zu ihnen passt. Sie halten fest und bleiben unglücklich. Und vor allem, verschließen sie sich vor Veränderung, vor neuen Chancen & Möglichkeiten.
Was ein Glück, das ich nun loslassen kann. Nach vorne blicken. Und mich nun einfach freue: Auf das Neue, das Ungewisse.
Was ein Glück.
Ein großes DANKE aus tiefstem Herzen an Cornelius, Pia und Max und das gesamte Opinary-Team. Ohne euch wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin - ohne euch, wäre ich nicht der Mensch, der ich jetzt bin. Danke.
FYI: This article was cross-posted from Linkedin and was published on October 1, 2020